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Eine Kunstaktion von Daniel Imbach aka IOKKE zur Thematik der Absurdität des menschlichen Anspruches auf Land.

Im Zentrum der Aktion steht die Frage, ob ein für sich in Anspruch genommerner Quadratmeter mit einer Biene geteilt werden möchte.

IOKKE regt an, sich mit dem Hochmut des Menschen als "Survivor of the fittest" auseinanderzusetzen.

Das Märchen zum Video:

„Apiforme“

Diese Geschichte spielte sich vielleicht vor vielen Millionen Jahren ab, vielleicht zur späten Kreidezeit, sie könnte sich auch morgen abgespielt haben, viele tausende Kilometer entfernt oder auch ganz nah:
Eine einfache Honigbiene, Apiforme heisst sie, lebt in einem Buchenwald, mitten in einem Buchenwald. Mitten deshalb, weil sie nie was anderes gesehen hat als den Buchenwald. Naja, sie war ein paar mal am Rande des Buchenwalds, um ehrlich zu sein war sie in letzter Zeit ziemlich oft am Rande des Buchenwalds. Denn da hat es eine Waldlichtung. Eine 5 Hektargrosse Waldlichtung. Da darf man nicht hin. Da will sie nicht hin. Da will sie vielleicht doch einmal hin. Dachte sie letzthin. Heute fliegt sie hin. Nichtsdestotrotz.
Es fliegt sich einfach auf die Wiese. Wunderbar, wirklich wunder-bar alle diese Blumen. Diese Pracht. Mitten auf der Waldlichtung findet sie eine Blume: Nein, hingezogen wird sie von dieser Blütenpracht, einer Schönheit ohnesgleichen. Der Kelch von zauberhafter Anmut, leuchtend in den Farben des Sonnenuntergangs, vom Blauviolett bis zum strahlenden Rot.
Apiforme, an sich eine sehr ehrliche, offene Biene, ist wie verzaubert und macht sich ungestüm über die Blüte her. Mit diesem wunderbar duftenden Nektar will sie sich vollsaugen und beladen, den will sie für sich behalten, damit sie ewig in diesem Glücksgefühl bleiben möge.
Kaum beginnt sie mit ihrem langen Rüssel den Nektar aufzusaugen, vernimmt sie eine Stimme:
„Bitte nicht, liebe Biene.“
Aus der Krone einer Linde, kaum 10 Meter von Apiforme entfernt, reckt sich eine Fee aus dem Geäste.
„Ohne diese Blume werde ich diese und alldie andern Blumen nachts nicht in den Schlaf singen können. Sie fleht Apiforme an, ihr die Blume samt ihrem Nektar zu lassen, aber Apiforme will ihre Bitte rigorös nicht erwidern: „Endlich habe ich so einen Schatz in meinen eigenen Händen. Wie sollte ich es so einfach wieder hergeben können?“
Apiforme steckt unversdrossen ihren Rüssel in die Blume und saugt den Resten Nektar aus und fliegt dann, ohne dem Flehen der Fee weitere Beachtung zu schenken davon. Vorbei sind die Zeiten der mühseeligen Nektarbeschaffung, den lebensgefährlichen Abwehrschlachten am Nesteingang, den stinkenden Überwinterungs- und Schlafgemeinschaften und den endlosen Wachdiensten. Von nun an will sie das Leben einer Solitärbiene fröhnen, mit diesem herrlichen Stock an wohl duftender Glückseeligkeit, der Essenz dieser betörenderndsten Blume.

Im entferntesten Winkel des dunklen Waldes findet Apiforme eine alte Buche und in ihr ein ihr sicher scheinendes Astloch als Versteck. Sie kriecht zufrieden hinein, deponiert den Nektar in einer Ecke und fällt bald in einen tiefen Schlaf. Die Nacht ist unruhig. Immer wieder wird sie von heftigen Windstössen aus dem Schlaf gerissen. Übernächtigt weckt sie am nächsten Morgen das hässliche Krächzen eines Eichelheers.

Der Himmel über der Buche, in der sie übernachtet hatte, ist wolkenverhangen und schweere Tropfen beginnen auf den Boden zu prasseln.
Apiforme schlägt das Wetter auf die Stimmung. Der süssliche Geruch der Blume vom vorigen Tag ist dem ätzenden Geruch toten Holzes gewichen. Sie entschliesst sich trotz des miesen Wetters die selbe Waldlichtung aufzusuchen, auf der sie die schöne Blume gefunden hatte.
Beim Verlassen des Astloches bemerkt Apiforme, dass unter dem Baum, mitten im nassen Laub, der Eichelheer liegt. Reglos. War es jener gewesen, der sie zuvor mit seinem grässlichen Krächzen aus dem Schlaf gerissen hatte? „Recht geschiet’s ihm“, denk sie und fliegt von dannen.
Auf ihrem Flug quer durch den Wald, fällt ihr plötzlich die seltsame Stille auf, die herrscht. Apiforme schärft ihren Blick und hällt nach Artgenossen und anderer Fauna Ausschau. „Niemand da!“ Etwas verunsichert fliegt sie weiter.
Als Apiforme endlich bei der Waldlichtung ankommt, stellt sie mit Schrecken fest, dass sämtliche Blumen der Wiese müde und schlaff im langen Gras liegen. Sie setzt sich auf ein langes Halm und blickt erscrocken um sich. In diesem Moment ertönt aus der Linde nebenan ein klägliches Wimmern. Apiforme sieht, dass es die Fee ist.
„Siehst du nun, was du angestellt hast? Ohne die Blume habe ich ihre Artgenossen nicht in den Schlaf singen können und nun sind sie alle verendet. Besorg mir eiligst den Nektar, spritze ihn der sterbenende Blume ein, so dass ich den drohenden Völkerkolaps noch abwenden kann.
Gänsehaut überdeckt Apiformes Pelz. So schnell sie ihre Flüge tragen begibt sie sich zurück zur alten Eiche und holt den Nektar. Der Wind verwandelt sich dabei in einen Sturm und nur mit Müh und Not schafft Apiforme den Weg zurück zur Waldlichtung und zur sterbenden Blume.
„Schnell“, hauch die Fee aus der Linde und stimmt sogleich mit wunderschöner Stimme ein Lied an. Während Apiforme mit letzter Kraft den Nektar zurück in die Blüte spritzt, umgibt sie der wunderschöne Klang des Gesanges der Fee immer mehr. Hätte sie gewusst, dass sie jemals durch ihre Gier solch schöne Musik vereiteln würde, so hätte sie nie den Nektar der Blume berührt. Im selben Moment, in dem ihr diese Gedanken durch den Kopf gehen, erheben sich die Blumen rundherum, eine nach der andern und mit ihr stimmen ein die Vögel und Insekten.
Ihr Freudentanz ist so himmlisch, unbeschreiblich anmutig und einmalig. Apiforme schwört sich innigst, diesen Augenblick der Glückseligkeit auf immer zu verinnerlichen und in ihrer Seele aufzubewahren, ohne aber daran festzuhalten.
So gesehen hat sich ums Haar eine der grössten Katastrophen seit Bienengedenken ereignet, vor langer Zeit oder morgen.